Mittwoch, 23. Juli 2008

EU auf dem Vormarsch gegen Online-Piraterie

Gleich zu Beginn der französischen Ratspräsidentschaft im zweiten Halbjahr 2008 hat das Thema geistiges Eigentum Hochkonjunktur. Es geht um die Verlängerung der urheberrechtlichen Schutzfrist für Musikaufnahmen, um ein einheitliches europäisches Patentwesen und vor allem um verschärfte Maßnahmen zur Bekämpfung von Urheber-, Marken- und Patentrechtsverletzungen. Der französische Staatssekretär für Wirtschafts- und Verbraucherfragen, Luc Chatel, hat dazu am Dienstag, den 15. Juli 2008, in einer Rede konkrete Schritte angekündigt, berichtet Intellectual Property Watch. Nach Chatels Worten arbeitet Frankreich im Rahmen der französischen EU-Ratspräsidentschaft hart daran, "in diesem Kampf mit einem globalen Ansatz Fortschritte zu erzielen".

Die von Chatel vorgestellten Pläne sehen vor, zur besseren Beobachtung von Fälschungen und sogenannter Piraterie eine eigene Behörde einzurichten. Die Zusammenarbeit der EU-Mitgliedstaaten bei der Bekämpfung dieser Phänomene soll die Antikorruptionsbehörde OLAF koordinieren. International soll mit bilateralen Abkommen wie dem geplanten Anti-Piraterie-Abkommen ACTA gegen Urheber-, Marken- und Patentrechtsverletzungen vorgegangen werden. Einen konkreten Vorschlag zur Umsetzung dieser Pläne hat Chatel für das Treffen des EU-Wettbewerbsrates vom 25. bis zum 26. September 2008 angekündigt.

Die Verhandlungen zu ACTA laufen bisher mit großer Heimlichkeit ab. Weder das EU-Parlament noch die nationalen Parlamente der Mitgliedstaaten oder die europäische Öffentlichkeit sind darüber informiert, was mehrere Staaten und die EU-Kommission unter Führung der USA und Japans verhandeln. Aus den wenigen Informationen, die bislang an die Öffentlichkeit gedrungenen sind, lässt sich immerhin entnehmen, dass die Verhandlungspartner für die Zukunft beabsichtigen, gegen Urheber-, Marken- und Patentrechtsverletzungen verstärkt mit strafrechtlichen Mitteln und der Ausweitung der Zollbefugnisse vorzugehen. Bereits der Versuch der Urheber-, Marken- oder Patentrechtsverletzung könnte danach mit Gefängnisstrafe bedroht werden. Auch die Einführung von Zwangsfiltern bei ISPs zur Verhinderung von nicht autorisierter Verbreitung urheberrechtlich geschützter Werke ist dem Vernehmen nach Gegenstand des Vertragsentwurfs.

Daniel Caspary, Mitglied der konservativen Fraktion im EU-Parlament und des Ausschusses für internationalen Handel, befürwortete gegenüber Intellectual Property Watch die geplanten strafrechtlichen Maßnahmen, räumte aber ein, dass das "einige Fragen im Hinblick auf die Bürgerrechte" aufwerfe. Die EU-Kommission habe aber zugesagt, sich um dieses Problem zu kümmern.

In einem von diesem Ausschuss unter Federführung von Gianluca Susta erarbeiteten und Ende Juni vorgelegten "Entwurf für einen Bericht zu den Auswirkungen von Fälschungen auf den internationalen Handel" wird die EU-Kommission aufgefordert, sich dafür einzusetzen, die Reichweite des WTO-Übereinkommens über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums (TRIPS) deutlich auszuweiten. Insbesondere sollten auch "alle geistigen Eigentumsrechte, die bisher vom Übereinkommen ausgeschlossen sind, erfasst werden".
Die EU-Kommission solle weiterhin, so der Entwurfstext, ihre "Anstrengungen im Kampf gegen Fälschungen und Piraterie [...] auch durch bilaterale, regionale und multilaterale Abkommen [...] zur Durchsetzung des Gesetze fortsetzen". Die EU-Kommission wird ausdrücklich dazu angehalten, "einen zügigen und zufrieden stellenden Abschluss des ACTA-Abkommens" herbeizuführen. Mit ACTA gebe es nicht nur "einen grundlegenden internationalen Maßstab", sondern auch "ein wichtiges Werkzeug, um Drittstaaten, die das Abkommen nicht unterzeichnet haben, unter Druck zu setzen". [von Robert A. Gehring] (golem)

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