Sonntag, 17. August 2008

Schutz vor Piraten in Somalia dringend notwendig

Sechs Wochen nach seiner Entführung durch somalische Piraten ist das freigelassene deutsche Segler-Paar am Montag wieder in Stuttgart angekommen. Das Paar war vor wenigen Tagen nach einer Lösegeld-Zahlung von rund einer Million Dollar freigekommen.

Wegen Fällen wie dem der entführten Deutschen hatten das Welternährungsprogramm (WFP) und die Internationale Meeresorganisation (IOM) wochenlang militärische Eskorten für Hilfslieferungen nach Somalia verlangt. Nun hat die kanadische Regierung Unterstützung zugesagt, zumindest bis September. Peter Goossens, der WFP-Länderverantwortliche für Somalia sagt: „Wenn die Schiffe nicht begleitet werden, bekomme ich keine Schiffe, um Lebensmittel nach Somalia zu transportieren.“ Die Reeder hätten – zurecht – Angst, Opfer von Piraten zu werden. Wegen der Piraterie vor der Küste Somalias wird es für das WFP immer schwieriger die derzeit rund 2,4 Millionen somalischen Flüchtlinge im Land mit Lebensmitteln zu versorgen.

Peter Goossens hat schon eine Menge gesehen, bevor er zum WFP kam. Er hat für verschiedene Hilfsorganisationen im Sudan, in Haiti und Bolivien gearbeitet. Seine erste Station für die Vereinten Nationen war 1999 bis 2000 Afghanistan. Als er 2006 seinen jetzigen Job antrat, hatte er schon reiche Erfahrung mit schwierigen Ländern. Aber Somalia übertrifft sie alle. 90 Prozent der Nahrungsmittel bringt das WFP mit Schiffen nach Somalia. Denn tatsächlich gibt es überhaupt keinen sicheren Weg ins Land. Bei rund 35 000 Tonnen, die im Monat benötigt werden, wäre Einfliegen rein praktisch kaum machbar – von den Kosten ganz zu schweigen. Bleiben Schiffe, die in Mogadischu entladen und dann mit Konvois von rund 200 Lastwagen in all die Landesteile gefahren werden, in denen das WFP die Menschen vor dem Verhungern bewahrt.

„Vor einem halben Jahr“, berichtet Goossens, „hat es etwa 750 Dollar gekostet, einen Lastwagen durch alle Straßensperren zu bringen.“ Damals gab es aus Goossens Sicht eine Situation mit „mehr stabilen Schwierigkeiten“. Die für das WFP tätigen Transportunternehmer hätten gewusst, wo die Straßensperren sind, und wer sie kontrolliert. Goossens erzählt: „Straßensperren waren ein Unternehmen, an dem verschiedene Leute Anteile gekauft hatten. Die Somalis sind unglaublich kreative Geschäftsleute.“ Wenn es gelänge, den Frieden zu einem profitablen Geschäft zu machen, „dann wäre es in Somalia vollkommen friedlich“, ist Goossens überzeugt.Doch seit etwa einem halben Jahr ist die Situation in „totales Chaos und Anarchie“ abgeglitten. „Ich bin mir über nichts mehr sicher in Somalia“, sagt er.

Vor einem guten halben Jahr gelang es dem WFP zunächst Frankreich davon zu überzeugen, dass die UN-Schiffe militärische Begleitung bräuchten. Zwei Monate lang übernahm Frankreich den Job. Es folgten Dänemark und die Niederlande, die im Juli abgezogen sind. Nun übernehmen die Kanadier die Aufgabe mit einem Kriegsschiff, das derzeit im Mittelmeer im Antiterror-Einsatz ist. Doch Goossens muss von Oktober an, eine neue Schutzmacht für die WFP-Schiffe gefunden haben. Er hofft dabei auch auf Deutschland. „Ich bitte die Bundesregierung inständig, uns zu schützen“, sagt er. Zu allem Überfluss leidet Somalia nun im dritten Jahr unter einer Dürre. Die Regenzeit kam für die Landwirtschaft viel zu spät, „aber immerhin rechtzeitig, um das Vieh am Leben zu erhalten“. Die Vorräte der Somalis seien aufgebraucht. Er rechnet bis zum Ende des Jahres mit bis zu 3,5 Millionen Menschen, die auf Nahrungsmittelhilfe angewiesen sein könnten – die Hälfte der Bevölkerung. (tagesspiegel)

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